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5 Fragen an … Carola Meisner-Isbach

Carola Meisner-Isbach ist gelernte Schriftsetzermeisterin (was inzwischen Mediengestaltermeisterin heißt) und ist durch ihre Liebe zum Lesen zum selber Schreiben gekommen. Von ihrer Tochter motiviert veröffentlichte sie im September 2021 ihr Debüt, den Kurzkrimi „Weil du schön bist, musst du sterben“. Heute nimmt sie uns mit in die Welt des Buchsatzes und was sie uns angehenden Autor:innen dabei mit auf den Weg geben kann.


Wie bist du dazu gekommen dich mit dem Thema Buchsatz und Schriftsetzung zu beschäftigen?


Carola: Das liegt bei uns in der Familie, also mein Vater, der hatte schon eine kleine Druckerei und so war das Thema immer schon in der Familie drin. Ja, und als ich dann auf Ausbildungssuche war, lag das natürlich nahe, dass ich eventuell in die Medienbranche einsteige und hatte dann auch mal 14 Tage ein Schnupper-Praktikum gemacht und da ich sehr für Technik bin auch damals schon in jungen Jahren, hat mich das schon fasziniert und so ist es dann dazu gekommen.


Da hat sich bestimmt auch einiges verändert von damals bis heute mit der Technik, oder?


Carola: Wahnsinnig viel! Als ich angefangen hab meine Ausbildung zu machen, gab’s spezielle Satzcomputer. Das war damals Linotype oder Berthold hießen die Computer. Das waren wirklich nur reine spezielle Satzcomputer und da ging alles nur mit, noch wie‘s damals noch jemand kennt von Commodore und Schneider Computer alles mit schwarzem Hintergrund und grüner Schrift oder weißer Schrift und alles noch über Befehle, ja. Also H zum Beispiel war dann die Schriftgröße, L war der Zeilenfluss und so weiter und so fort. Also im Vergleich zu heute…


Miri: ‘Ne richtige Wissenschaft. […] Also haben wir es inzwischen deutlich leichter?


Carola: Um einiges leichter. Wahnsinnig leichter. […] Also es ist schon ein enormer Fortschritt.


Was würdest du sagen, müssen wir denn als angehende Autor:innen darüber wissen? Was ist der Tipp, den wir da beherzigen sollten, damit wir uns da Zeit und Energie sparen?


[…] Carola: Okay. Achtet unbedingt auf Schusterjunge, H*renkind und Fliegenschiss. Also was ist das jetzt? (Lachen)

Das sind wirklich Fachbegriffe!

Schusterjunge bedeutet, dass die erste Zeile des Absatzes auf der vorherigen Seite ist. Also eben auf meiner Seite läuft der Textblock unten aus, dann ist noch die erste Zeile des neuen Absatzes und der Rest geht auf die neue Seite. Und das ist ein Schusterjunge. Das ist fatal sowas, das bricht den Leser ab. Ja, also man liest, man hat die erste Zeile und man wird wirklich, weil vielleicht muss man sogar noch umblättern, ja, und dann ist es so ein richtiger Abbruch. Das ist beim Lesen eine stärke Unterbrechung, wie wenn ich jetzt ‘nen Absatz mache. So Sachen vielleicht wirklich vermeiden.

Das H*renkind ist dann gerade das Gegenteil, wenn die letzte Zeile meines Absatzes auf der neuen Seite ist. Erstens sieht es wirklich optisch nicht schön aus und unser Gehirn ist so gepolt, dass es diesen Buchblock, also diesen Textblock einmal einscannt und dran gewöhnt, auch an die Zeilenbreite und an die Zeilenabstände. Und wenn sich da irgendwas radikal verändert, dann ist es irgendwie ein innerlicher Stopp. Ja, also das hemmt extrem den Lesefluss. Und was dann noch dazukommt, ist natürlich auch, dass es irgendwann mal die Augenmuskulatur mal ermüdet oder konzentrationshemmend ist. Wir möchten ja unseren Lesern Freude bereiten, auch die wo vielleicht abends im Bett lesen und da kann sowas dann schon störend sein.

Ja, Fliegenschiss, das ist, wenn die letzte Zeile eines Absatzes nur drei Buchstaben hat oder sowas. Das sieht optisch nicht schön aus und oftmals wird es dann auch nicht mehr gelesen.


Miri: Das wird dann so automatisch übersprungen, oder?


Carola: Ja genau. Wenn ich jetzt zum Beispiel sage: „Sie ist nach Hause gegan- gen“, diese drei Buchstaben, die werden gar nicht mehr erfasst. Die fallen weg. Und dann wie, gegan – hat der da was vergessen, dann wird wieder unterbrochen der Lesefluss. Also das ist es mal ganz, ganz gravierend, da muss man drauf achten.


Und können wir da dann schon in unseren Manuskripten drauf achten, also achte ich da dann schon als Autorin meines Buches schon drauf, dass es auf der Normseite schon so gesetzt ist? Ist es für Autor:innen im Selfpublishing genauso wie für Leute, die sich gerne in einem Verlag bewerben möchten?


Carola: Nein, im reinen Manuskript brauch ich da nicht so drauf zu achten. Aus dem Grund, da diese Normseiten oder mein Manuskript ist in einer anderen Schrift, wie es eigentlich dann gedruckt wird. Jede Schrift hat eine andere Laufweite, das bedeutet die Abstände zu den Buchstaben sind anderster. 'Ne Schrift, wo zum Beispiel Serifen hat, also die Füßchen, hat ne weitere Laufweite wie jetzt eine Schrift ohne diese Füßchen. Ja, also bricht dann auch den Zeilenfall ganz anderster. Das reicht schon, wenn ich ‘nen Text habe in Helvetica und mach den dann in ‘ner Times oder Garamond. Da kommen die Trennungen und Zeilenumbrüche ganz anders raus. Auch die Schriftgröße, ja einen halben Punkt mehr oder einen halben Punkt weniger bringt das Ganze durcheinander. Das heißt, eben die Setzerei im Verlag achtet dadrauf oder sollte. Oder wenn ich jetzt zum Beispiel im Selfpublishing veröffentliche, dann mache ich ja für das Taschenbuch ein PDF und dann muss ich drauf achten. Also wenn ich dann mein Endmanuskript habe, ja, aus dem ich das PDF generiere, dann muss ich drauf achten.

Miri: Okay, also der Tipp ist extrem relevant für alle Selfpublisher:innen da draußen und für alle, die mit ‘nem Verlag zusammenarbeiten in dem Moment, wo sie nochmal eine letzte Korrektur haben können, wo sie nochmal drüber schauen können, da auch nochmal drauf achten, dass da nicht sowas unterlaufen ist, wobei da der Verlag vermutlich dann schon drauf achtet, oder?


Carola: Ja. Sollte er, sollte er auf alle Fälle, wenn es ein guter Verlag ist, der achtet da natürlich drauf, weil das die Regel Nummer Eins in jedem Satzstudio oder auch halt in der Druckbranche, der sollte wirklich drauf achten. Und wenn ich als Autor dann vom Verlag meine vorläufigen Satzfahnen bekomme zur Kontrolle, dann kann ich darauf achten.


So, magst du die 3 Begriffe zum Abschluss nochmal wiederholen, damit wir die auch nicht vergessen? Die haben wundervolle Namen!


Carola: Ja genau. Das ist der Schusterjunge, das H*renkind und der Fliegenschiss.

Schusterjunge

die erste Zeile des Absatzes ist auf der vorherigen Seite

H*urenkind

die letzte Zeile des Absatzes ist auf der neuen Seite

Fliegenschiss

​die letzte Zeile eines Absatzes hat nur wenige (z.B. drei) Buchstaben

Miri: Wunderschön, politisch semi-korrekt aber auf jeden Fall einprägsam. Das heißt an alle angehenden Autor:innen dort draußen, achtet darauf wenn ihr eure Manuskripte bearbeitet – im Selfpublishing noch wichtiger als im Verlag – und damit müssen wir dann schon langsam zum Ende kommen mit dem Thema Buchsatz. Wir merken es ist ein großes Thema, ich glaube, da können wir nochmal ganz, ganz viel Hintergrundwissen und Inhalte einsammeln und lasst uns gerne wissen, wenn ihr da eine Fortsetzung haben wollt.


[…]


Und dann wäre damit die letzte Frage: Wie motivierst du dich und was ist denn dein persönlicher Arschtritt zum Schreiben?


Carola: Also motivieren tue ich mich einfach indem ich mir vorstelle, mein eigenes gedrucktes Buch in der Hand zu haben, ja. Da könnt ihr einfach ein Buch aus eurem Bücherregal holen, macht die Augen zu und spürt mal, wie sich das anfühlt und versetzt euch da rein: Es ist euer Buch!


Miri: Sehr cool, also mit Visualisierung und sogar einer haptischen Komponente dazu. Das ist ein sehr, sehr schöner Arschtritt.

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