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5 Fragen an … H.P. Röntgen

Aktualisiert: 12. Sept. 2022

Aller Anfang ist schwer. Das gilt auch für den Buchanfang. Der Lektor und Autor von Schreibratgebern Hans Peter Röntgen war bei uns zu Besuch, um über die größten Fehler in den ersten 4 Seiten eines Buchs zu sprechen. Vorab hat er uns jedoch 5 Fragen über sich selbst beantwortet.



Wie bist du zum Lektorieren gekommen und wie lange machst du das schon?


Hans Peter: Das ist eine ganz faszinierende Geschichte gewesen. Ich habe während meiner Studienzeit an einer Studentenzeitschrift mitgearbeitet. Das war meine erste Lektorierungsarbeit. Aber ich hatte Informatik studiert. Und Informatik hat durchaus sehr viel Ähnlichkeit mit dem Lektorat von Büchern. Da ist mir damals schon aufgefallen, dass die Leute jedes bit und jedes Byte in ihrem Programm kannten, aber völlig unfähig waren, das auch verständlich zu erklären. Und vor allem Programme so zu entwerfen, dass sie sich beim Entwurf in den Benutzer hineinversetzen.


Dann bin ich in den 90er mehrfach in die USA gefahren und habe festgestellt, dass es dort so etwas wie Schreibratgeber gibt. Das war damals eine Sensation in Deutschland. Denn dort gab es genau einen. Schreibratgeber galten als sehr unfein. Entweder jemand kann schreiben oder kann nicht schreiben. Auch die Lektorate haben da eingesetzt, wo das Buch beim Verlag akzeptiert worden ist. Aber wie kommt man überhaupt so weit? Da muss man erst eine gewisse Fähigkeit erwerben. Das hat mich fasziniert an diesem Schreibratgebern, das die genau da angesetzt haben.


Wieso die ersten vier Seiten?


Hans Peter: In den USA gibt es eine Zeitschrift für Autoren mit einer sehr hohen Auflage, writer`s digest. Jeden Monat bespricht sie die ersten vier Seiten eines ihrer Leser. Und so etwas gab es in Deutschland überhaupt nicht. Es gab immer noch die Vorstellung: Jemand ist ein Genie und dann kann er eben schreiben oder er ist kein Genie und dann hat es auch keinen Zweck, darüber zu reden. Und dann wurde Ende der 90er ein Newsletter, der tempest, gegründet, der sich genau damit beschäftig hat.

Das Problem war, Lektoren fanden es damals noch anstößig, Anfänger zu bearbeiten. Irgendwann ist mir klar geworden: Ich muss es selbst machen. Ich habe dort also eine Kolumne geschrieben. „Schickt mir eure vier Seiten und ich bearbeite sie.“ Und daraus ist auch das erste Buch „Vier Seiten für ein Halleluja“ entstanden. Man merkt einfach, wenn man damit öfter zu tun hat, es gibt typische Anfängerfehler, die immer wieder auftauchen.



Wenn auch noch in den Kinderschuhen, hat der Wandel ja auch in Deutschland begonnen, dass Schreiben wie ein Handwerk betrachtet wird. Kannst du zusammenfassen, wie es dazu gekommen ist?


Hans Peter: Wie viele neue Sachen kommt diese Bewegung nicht aus dem Buchbetrieb selbst. Der ist immer sehr konservativ gewesen. Der hat auch viele Sachen aus der Nazi-Zeit übernommen, obwohl es keine Nazis waren. Die Genie-Idee kommt tatsächlich aus dieser Zeit.

Und dann schwappte so langsam von den USA diese Idee rüber, weil es auch Übersetzungen von Ratgebern gab. Ich habe festgestellt, es startete mit der Fantasy. Das hing auch damit zusammen, dass diese Titel auch in Buchhandlungen kaum stattfanden. Wer Fantasy schreiben wollte, hatte sowieso nicht die Chance, den Weg über den Verlag zu gehen.


Du hast ja quasi deinen ersten Schreibratgeber geschrieben bevor du als Lektor gearbeitet hast?


Hans Peter: Ich habe schon als Lektor gearbeitet. Es war natürlich alles noch sehr ruh und ich hatte noch nicht viel Erfahrung. Als ich gemerkt hatte, dass es mit den vier Seiten auf Interesse stieß und habe auch nichts vergleichbares gefunden habe, hab ich das Buch geschrieben. Und ich bin endgültig aus der Informatik in das Lektorenhandwerk gewechselt.


Hast du das Gefühl, dass die Informatik schon gewisse Vorteile für den Beruf des Lektors gebracht hat? Weil man da ja sowieso sehr strukturiert und mathematisch denkt?


Hans Peter: Den Effekt habe ich schon festgestellt. Du musst strukturieren und du musst dich auch in deine Kunden versetzen können – sprich in die Leser. Und das ist oft das Problem, das viele Leute haben, auch wenn sie handwerklich sehr gut sind – sowohl in der Informatik als auch im Schreiben. Manchmal verstehen sie gar nicht, dass die Leute, die ihre Texte lesen oder ihre Programme benutzen sollen, gar nicht wissen, wie sie damit anfangen sollen. Weil sie gar nicht dieses Fachwissen haben.


Mehr über Hans Peter Röntgen und seine Tipps zum Buchanfang gibt es ab jetzt in Folge 76 des Zeilenschlinger-Podcasts zu hören. Überall dort, wo es Podcasts gibt und auf YouTube.

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