5 Fragen an... Xenia von Equal Writes

Xenia ist Lektorin, Autorin und Sensitivity Readerin. Nicht zuletzt aufgrund ihres eigenen Migrationshintergrundes – sie stammt gebürtig aus Kasachstan, hat aber auch deutsche, sibirische, mongolische und schweizerische Wurzeln – hat sie ein feines Gespür dafür, wie man einen Text von Diskriminierungen und Klischees befreit und dadurch vielfältiger und interessanter macht.
Dein Lektorat machst du unter dem Namen „Equal Writes“ – wie bist du auf den Namen gekommen?
Xenia: „Es ist eine ganz klassische Marketinggeschichte. Ich habe lange gebrainstormt und irgendwie ist das dabei zustande gekommen. Zu Anfang hieß ich „feminist friends“, das mochte ich aber nicht, weil ich mir dachte, das schreckt die Leute ab, die noch Berührungsängste mit Feminismus haben und noch nicht wissen, dass teilweise falsch darüber argumentiert wird. Oft gibt es Menschen, die sagen, „ich bin für Humanismus“ und die gar nicht wissen, dass sie eigentlich feministisch denken. Um wirklich alle Menschen anzuziehen, wollte ich etwas mit „equal“. Und in einer spontanen Eingebung ist mir dann aufgefallen, dass „writes“ wie „rights“ klingt. Das habe ich dann zusammengesetzt.“
Du bist ja auch Autorin. Was bedeutet das Schreiben für dich?

Xenia: „Schreiben ist für mich alles. Ich habe schon immer geschrieben, es war für mich immer ein Weg meine Gedanken zu sortieren oder meine Emotionen zu verstehen. Früher als Kind habe ich meistens dann geschrieben, wenn ich nicht weiterwusste. Wenn ich so emotional war und nicht wusste, wie ich mit Menschen darüber reden konnte. Daraus sind dann Geschichten entstanden. Mein Vater hat mir immer abends Geschichten vorgelesen. Das war ein wenig unüblich – dabei ging es oft um griechische Sagen und die sind ja schon relativ brutal und auch nicht korrekt in mancher Hinsicht. Manchmal hat er auch Märchen um-erzählt, weil er sie zu brutal fand oder sie in eine Richtung erzählt, dass sie moralischer wurden. Ich musste am nächsten Tag immer das, was er mir erzählt hat, zusammenfassen und als Belohnung habe ich eine neue Geschichte bekommen. Ich wurde von klein auf darauf trainiert, Geschichten zusammenzufassen und zu erkennen. Das ist geblieben. Das Schreiben war immer da, auch als ich andere Sachen gemacht habe. Grade bin ich total glücklich, dass ich das wieder für mich gefunden habe.“
Wie ist deine Zeitaufteilung? Wie viel Zeit investierst du ins Lektorat, wie viel ins Sensitivity Reading und wie viel ins Autorinnendasein?
Xenia: „Sensitivity Reading habe ich bisher eigentlich immer ins Lektorat eingeschlossen. Es gibt bei mir kein Lektorat, wo kein Sensitivity Reading dabei ist, manchmal weniger, manchmal mehr, je nachdem, wie die Autorin sich das wünscht. Ich kann kein Buch lesen, ohne auch darauf einzugehen, wenn da was problematisch ist. Ungefähr ein Fünftel meiner Zeit ist pures Sensitivity Reading. Das Schreiben ist die letzten Monate zu kurz gekommen. Letztes Jahr habe ich mich mit Lektorat selbstständig gemacht. Da muss ich erstmal Fuß fassen. Deswegen arbeite ich viel mehr als ich sollte.“
Bist du auf eine bestimmte Form des Sensitivity Readings spezialisiert? Gibt es Themen, die du nicht behandelst?

Xenia: „Ich habe auf jeden Fall eine Spezialisierung. Ich würde sagen, am besten funktioniere ich bei allem, was mit Sexismus zu tun hat. Hilfreich ist auch mein Migrationshintergrund. Auch zum Thema mixed-Dasein. Ich bin in Kasachstan geboren, habe aber im Grunde deutsch-sibirisch-kasachisch-mongolisch-schweizerische Wurzeln. Das gehört auch zu den Problemen auf der Welt, die gar nicht so beachtet werden – dass manche Menschen nicht so genau wissen, wo sie herkommen. Das sind Themen, die ich selber erlebt habe und wo ich mich deswegen gut mit auskenne. Mit Antislavismus kenne ich mich deswegen besser aus als mit anderen Sachen. Was ich aber auch noch mache, sind Themen von LGBTQIA+ und dem Umgang mit Hautfarben – wie beschreibe ich Hautfarben und wie schreibe ich über Menschen verschiedener Kulturen? Da habe ich zumindest ein allgemeines Auge dafür entwickelt, nicht nur für meine eigene Herkunft oder Ethnie. Weil ich mich auch schon seit sechs Jahren dafür ausbilde und recherchiere. Ich achte auch auf ableistische Sprache. Das ist aber alles nicht mein Fokus, das mache ich nebenbei.“
Du hast ja schon an verschiedenen Orten gelebt und verschiedene Professionen betrieben. Würdest du sagen, dass das alles dein Lektorat beeinflusst?
Xenia: „Da habe ich tatsächlich noch gar nicht so direkt drüber nachgedacht. Aber ja, sicher. Ich habe Filmregie studiert, habe angefangen mit Theater in der Schule, wollte eigentlich Schauspielerin werden – habe dann aber festgestellt, dass ich gerne auch die anderen Aspekte wie Bühnenbild und dergleichen beeinflussen möchte. Es ging für mich immer um Geschichten. Da war ich erstmal sehr viele Jahre. Bin dann irgendwann in den Burn-Out gerutscht. Dann habe ich eine Ausbildung in der Krankenpflege gemacht und habe da auch sehr viel erlebt. Dann ging es in eine Digitalagentur. Dazwischen hatte ich zig Teilzeitjobs. Ich bin sehr rumgekommen.“