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Die einzige Geschichte, die dein Leben bestimmt

"Die meisten von uns haben nur eine einzige Geschichte zu erzählen. Damit meine ich nicht, dass uns im Leben nur einmal etwas geschieht: Es gibt unzählige Ereignisse, aus denen wir unzählige Geschichten machen. Aber nur ein Ereignis ist von Bedeutung, nur eins ist letzten Endes erzählenswert. Hier ist meins."

"Die einzige Geschichte" - Julian Barnes

Buch Cover Neil Gaiman – "Das Graveyard Buch"

Paul ist "nur" neunzehn Jahre alt

Obwohl die Erwachsenen in seinem Leben nicht müde werden, diesen Umstand zu betonen, lässt Paul sich nicht davon beirren. Insbesondere, als er sich in die viele Jahre ältere Susan verliebt und mit ihr eine Liebesbeziehung eingeht. Sie begegnet ihm auf Augenhöhe, sie sagt nie, "dafür bist du noch zu jung" oder winkt seine Aussagen überheblich ab. Susan sieht ihn, wie er ist - und er sieht sie, wie sie ist. Und so sehen sie einander.

Doch je älter Paul wird, desto bewusster wird ihm, dass sie mehr zu schultern hat, als er in seinen jungen Jahren begreifen konnte.


Was können angehende Autorinnen und Autoren daraus lernen?


Julian Barnes zeigt, wie man gezielt mithilfe verschiedener Erzählperspektiven den Inhalt der Geschichte unterstützen und auf ein neues, emotionales Level bringen kann. Der ganze Roman wird erzählt aus der Sicht von Paul in seinen späteren Jahren. Er bekennt offen, dass seine Erinnerungen mitunter fehlerhaft und eingefärbt sind durch die Emotionen, die sie damals begleitet haben. Dabei unterteilt er seine Erzählung in drei Teile, die ihn jeweils in einem anderen Stadium seines Lebens zeigen - und nimmt in diesen jeweils eine andere Erzählperspektive ein:

  1. Jugend - "Ich" Erzähler

  2. Lehrjahre - "Du" Erzähler

  3. Mittleres Alter - Personaler Erzähler ("Er")

Diese Perspektiven beeinflussen nicht nur stark die Beziehung, die der Leser zu der Hauptfigur Paul hat, sondern sie zeigen auch, wie der erzählende ältere Paul zu seinem jüngeren Ich steht.

Erzählperspektive

Sichtweise Leser auf Paul

Sichtweise Paul auf sich selbst

Ich-Perspektive

Paul wirkt egozentrisch, verankert in seiner Weltsicht, komplett nachvollziehbar. Der Leser kann sich gut identifizieren und sich gleichzeitig abgrenzen.

Durch die Ich-Form schließt der alte Paul gezielt andere Aspekte aus seiner Erzählung aus, als seine eigene Sichtweise. Dadurch unterstreicht er seine damalige Naivität und macht gleichzeitig deutlich, warum er so gedacht hat.

Du-Perspektive

Der Leser wird plötzlich in den Fokus gesetzt. Er wird in das Licht der Ereignisse gezogen und mehr dazu angehalten, sich in Pauls Situation hineinzuversetzen.

Der alte Paul nimmt Distanz zu seiner Erzählung und will den Leser in die Verantwortung nehmen. Dadurch wirkt es, als ob er sich rechtfertigen will und um Zuspruch bittet für seine Taten. Man spürt sein Leid.

Personaler Erzähler

Die Distanz zur Hauptfigur ist vollkommen. Nachdem man vorher intim mit dieser involviert wurde, fühlt sich das beinahe wie ein Verlust an.

Paul scheint von sich selbst entfernt. Er hat sein Los akzeptiert und geht seiner Wege, aber es wird deutlich, dass er vieles verloren hat, was ihn einst ausmachte.




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